The Sculptor by Scott McCloud

Den meisten dürfte Scott McCloud wohl durch seine theoretischen Abhandlungen von Comics bekannt sein. Seine fantastischen Bücher “Understanding Comics”, “Reinventing Comics” und “Making Comics” geben einem alle Informationen die man zu dem Thema benötigt und nach der Lektüre, die er ebenfalls als Comic präsentiert, betrachtet man die Panels, Zeichnungen und Sprechblasen anders - sie öffnen dem Leser die Augen...

“It’s like they’re demanding that I make them, demanding to be seen, demanding to exist ... and now I’m scared I’ll never finish a single one.” - David

Durch seine Erforschung von Comics habe ich mir schon früh darüber nachgedacht, wie es wohl sein würde, wenn Scott McCloud nun wieder anfangen würde kreative Geschichten zu erzählten. Eigentlich müssten seine Erkenntnisse dazu führen, dass es ein Meisterwerk par excellence wird und er hat ja in den achtziger und neunziger Jahren ebenso “normale” Comics geschrieben, die von vielen Kritikern hoch gelobt wurden (zum Beispiel “Zot!” und “The New Adventures of Abraham Lincoln”). Aber eine der interessantesten Fragen war für mich worüber er schreiben wird. Welches Genre, welches Thema, welche Personen werden darin vorkommen? Und das Ergebnis seiner fünf Jahre andauernden Arbeit, in der er geschrieben, gezeichnet und sogar einen eigenen Font hat erzeugen lassen, ist ein Comic entstanden, so umfangreich und tiefgängig wie das Leben selbst.

“Life doesn’t always turn out the way we plan, David.” - Harry

Wie schon angedeutet ist das Graphic Novel “The Sculptor” sehr Themenreich. Im Zentrum steht zwar meist David, der verlorene Künstler, der einen Deal mit dem Tod eingeht, um doch noch etwas einzigartiges schaffen zu können, bevor er nach 200 Tagen sterben muss, doch es geht um so viel mehr. Scott McCloud scheint mit einer Leichtigkeit die Vielfalt des menschlichen Daseins in einen 500-seitigen Comic zu packen. Davon ist von allem etwas dabei: Leben, Lieben, Leidenschaft, Tod, Sex, Emotionen, Familie, Freunde, Träume, Erfahrungen, Ziele, Lektionen, Geld, Glück, Trauma, Hilfs- und Risikobereitschaft und so weiter. Alles findet seinen angestammten Platz.

Je weiter die Geschichte voran schreitet, desto weiter wird man in sie hineingezogen und sie lässt einen nicht mehr los, bis man am Ende des Buches angelangt ist und erschöpft den Deckel zu klappt und es weglegen kann. Die Charaktere sind liebevoll und mit Detail ausgearbeitet. Jede Minute mit ihnen muss und wird man genießen, denn man weiß nie, wann es zu spät ist und wenn es in “The Sculptor” an einem nicht fehlt, dann sind es überraschende Wendungen. Dabei sind es keine großen WTF-Momente, die den Leser schockieren sollen, nein, es sind die einfachen und stillen Momente in denen die Charaktere über sich hinauswachsen, der Angst / Herausforderung ins Gesicht blicken und handeln.

Ebenso wie die Geschichte, sind auch die Zeichnungen fantastisch. Der typische Stil von McCloud passt perfekt zu dem Comic, da es dem Leser genug Spielraum für Interpretationen lässt. Die nur zweifarbige Darstellung des Geschehens regt die Fantasie an und wirkt inspirierend. Die Handlungsorte wie die Stadt, Wohnungen, Parks und Seitengassen sind lebendig, man hört förmlich die typischen Geräuschkulissen der Umgebung. Es macht Spaß mit den Figuren immer mehr zu entdecken und Davids Kreativität zu beobachten.

Auch die Dialoge und Gespräche wirken natürlich, nachvollziehbar und ich könnte Stundenlang den Gesprächen zwischen Harry und David lauschen, während sie ihr Schachspiel bestreiten. Es gibt viele Highlights in dem Comic, die ich nur zu gerne beschreiben und besprechen möchte, aber ich will nicht zu viel verraten, denn die Geschichte sollte ohne Vorbelastung gelesen werden. So entfaltet sie ihre gesamte Kraft und verfolgt einen noch über Tage hinaus. Auf jeden Fall lädt sie zum erneuten Lesen ein, denn sicherlich übersieht man beim ersten Mal etwas oder bestimmte Aspekte der Geschichte gehen unter.

Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen! Kauft es, verschenkt es, gebt es weiter...

“You’ll leave. Everybody leaves.” - Meg

Vor kurzem habe ich Meldungen auf diversen Blogs und Websites gelesen, welche mich regelrecht nervös werden lassen. Filmstudios haben sich angeblich um die Rechte an dem Buch gestritten und es ist zu einer Art Wettstreit geworden. Ich weiß nicht mehr welches Studio die Filmrechte schließlich bekommen hat und es ist mir eigentlich auch egal. Bitte, wer auch immer für die Verfilmung zuständig sein wird, lasst es langsam angehen. Arbeitet mit McCloud zusammen wenn er es möchte. Haltet die Geschichte und die Effekte einfach und lasst die Protagonisten für sich sprechen, so wie im Comic auch. Denn erst dadurch entfaltet sich die Magie der Geschichte. Kein übermäßiger Einsatz von CGI, keine schnulzig übertrieben Romanze oder erzwungene Dreiecksbeziehung, welche es nicht gibt, keine drei Teile. Einfach, aber effektiv. Mehr verlange ich nicht.

Als Abschluss verlinke ich noch zwei Interviews mit Scott McCloud. Das erste könnt ihr gleich lesen, ohne das Buch zu kennen. Das zweite würde ich allerdings erst für später empfehlen, da es doch einige Spoiler enthält. In jedem Fall bekommt man einen netten Eindruck über die Entstehung von “The Sculptor”.

Interviews mit Scott McCloud auf comicsalliance.com:

  • Spoilerfreies Interview: Link
  • Spoilerhaltiges Interview: Link

Viel Vergnügen
Chris

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *