Wonder Woman und ihr 75. Geburtstag

Zum 75. Geburtstags von Wonder Woman wurde es an der Zeit auch sie endlich einmal in einem Artikel ausführlich zu behandeln. Dabei gehe ich zuerst auf meine persönliche Herangehensweise an den Charakter ein, anschließend beschäftige ich mich mit dem Thema “Honorary Ambassador of the UN”, bevor ich schließlich mit einem Review der Spezialausgabe anlässlich des Jubiläums ende.

Ein blinder Fleck

Zwar begleiten mit Comics schon mein ganzes Leben, doch erst seit knapp sechs Jahren setze ich mich intensiv mit Medium auseinander und bezeichne es mit seinen Geschichten, Künstlern und der Community dahinter als meine größte Leidenschaft. Dabei steht nicht nur der Konsum der Comics im Zentrum, sondern auch das Reden darüber (wie eben in diesem Blog anhand diverser Reviews) und mich mit Hilfe von Podcasts und diversen Websites immer auf dem Laufenden zu halten. Comic Cons sind noch ein großer Schwachpunkt auf meiner Agenda, dem ich im kommenden Jahr Abhilfe schaffen möchte. Aber insgesamt muss man schon sagen, dass es ein Leben lang dauert, alles mögliche über die Charaktere, Verlage, Künstler usw. zu lernen und zu erfahren. Geschweige denn die immense Zahl an Comics zu lesen.

Wonder Woman war, was DC anbelangt, bisher einer meiner größten blinder Flecke. Zwar ist sie in diversen Justice League Ausgaben vorgekommen, am berühmtesten wahrscheinlich in dem Run von Geoff Johns, doch eine Solo-Reihe habe ich immer ausgelassen. Bis Rebirth das Licht der Welt erblickte und Greg Rucka das Ruder (erneut) übernahm. Seither begeistern mich die jüngsten Geschichten von ihr. Den Ausschlag aber machte ein gewisser Podcast (Talking Comics), indem Mara Wood und Bob Reyer immer in höchsten Tönen von ihr geschwärmt haben (zusätzlich arbeitet Mara an einem Buch über sie mit). Erst dadurch wurde mir erst bewusst, welche Reichweite der Charakter hat und wie wichtig sie ist.

Heuer wird Diana 75 Jahre alt und hat nichts an ihrer Anziehungskraft verloren. Denn wenn man einmal angefangen hat an der Oberfläche zu kratzen, wird man geradezu in einen Strudel an Geschichten, Abenteuern und Anekdoten hineingezogen, wie man es nicht erwartet hätte. Man möchte immer mehr über sie wissen.

1941 wurde sie von William Marston erschaffen, damit es neben Superman und Batman auch noch einen weiblichen Charakter gibt. Dieser sollte auf Augenhöhe mit diesen Ikonen bestehen können. Wonder Woman war geboren. Was ihre Geschichte so einzigartig macht ist, dass sie nicht durch Tod und Verzweiflung zu dem wurde was sie ist (Bruce verlor seine Eltern, Superman sogar seinen Planeten) - nein, sie wurde aus Lehm erschaffen und erhielt ihre Kräfte von den Göttern selbst. Sie tut Gutes, weil es das Richtige ist.

Vor wenigen Wochen wurde sie schließlich von der UN ausgezeichnet und zwar als “Honorary Ambassador for the empowerment of women and children”.

Honorary Ambassador

Der Aufschrei in den sozialen Medien war gewaltig und während der kurzen, aber durchaus gelungenen Zeremonie, verließen beinahe die Hälfte der Anwesenden den Raum - aus Protest. Als Gründe werden oft die sexualisierte Darstellung von Wonder Woman in den Comics angegeben, man hätte doch genauso gut eine reale Frau ernennen können und so weiter (diese Geschichten kann man unter anderem hier und hier nachlesen). Um ehrlich zu sein: Ja, das trifft alles durchaus zu.

Doch bevor man sich anschickt zu schreien und sich auf Twitter bzw. Facebook Luft verschafft, sollte man sich doch etwas genauer mit dem Thema befassen. Denn es ist immer leichter loszubrüllen und sich zu entrüsten, als nachzufragen, warum könnte gerade dieser fiktive Charakter ausgewählt worden sein. Dabei möchte ich zu bedenken geben, dass ich hier natürlich nicht behaupte für irgend jemanden sprechen zu können, sondern lediglich meine Meinung zum Thema kund tue und eine mögliche Sichtweise biete.

Wie erwähnt feiern wie heuer Dianas 75 Geburtstag. Bei einem Comic der so lange besteht, kann es nicht nur gute Seiten geben und wie es scheint, sehen manche besonders bei weiblichen Charaktere etwas genauer hin, um Makel und Fehler zu finden und diese schön breit zu treten. So wird man durchaus übersexualisierte Darstellungen von ihr finden oder wie sie von männlichen Protagonisten nicht gerade in ein vorteilhaftes Licht gerückt wird. Doch wie gesagt: 75 Jahre. Klar gibt es da Höhen und Tiefen. Doch gerade zu so einem Jubiläum sollte es doch möglich sein, sich auf die positiven Dinge konzentrieren zu können.

In ihrer langen Geschichte hat es Wonder Woman mit Sicherheit geschafft als Vorbild für junge Mädchen zu dienen. Sie hat Leben berührt und steht für Unabhängigkeit, sowie Teamwork - für Stärke, sowie Durchsetzungsvermögen. Ansonsten hätte sie wohl nicht so lange überlebt. Außerdem ist für junge Menschen eine Comicfigur wahrscheinlich zugänglicher, als eine politische Persönlichkeit, auch wenn sie gute Reden halten kann. Immerhin muss man doch nur Wonder Woman erwähnen und jeder denkt an ihre ikonischen Armbänder, das Lasso oder ihr Schild. Man kennt sie. Als die besten Wonder Woman Comics werden übrigens diejenigen von George Perez und Greg Rucka gehandelt, die ich mir auch bei Zeiten zu Gemüte führen werde.

Also statt sich darüber zu echauffieren, kann man nicht zusammen an einem Strang ziehen und von diesem Punkt aus gemeinsam arbeiten. Kann man nicht mit Hilfe von Wonder Woman auf reale Frauen aufmerksam machen, die es ebenso verdient hätten zum “Honorary Ambassador” ernannt zu werden? Verwendet sie als Ausgangspunkt für Inspiration und Courage. Seht es als Beginn einer Reise und nicht als ein Ende.

Wonder Woman 75th Anniversary Special #1

Die Jubiläumsausgabe von Wonder Woman mag zwar teuer sein, dafür bekommt man über 70 Seiten voller Anerkennung und Respekt für den Charakter. Ich halte das Review etwas kürzer und orientiere mich an den Highlights, da es sehr viele verschiedene Geschichten und Bonusmaterial gibt, dass nicht nur den Rahmen des Reviews sprengen würde, sondern auch vielen die Überraschung verderben würde, welche Art von Geschichten sich DC für das Jubiläum ausgedacht hat.

Zu den Autoren und Künstlern, die sich in dieser Ausgabe die Panels, Stifte und Tastaturen in die Hände drücken, gehören unter anderem Rafael Scavone, Rafael Albuquerque, Gail Simone, Hope Larson, Renae De Liz, Liam Sharp und viele viele mehr. Es handelt sich meist um zwei bis fünfseitige Kurzgeschichten, die den Charakter von Wonder Woman und ihre Prinzipien ins Zentrum stellen. Dabei rettet sie nicht nur Menschen, Tiere und unterstützt einen gewissen blau-rot gekleideten Freund, sondern inspiriert auch andere dazu, Gutes zu tun. Die Stimmung und Ausstrahlung dieser Geschichten strotzt so sehr davon, wofür Wonder Woman steht, man will gar nicht, dass diese Ausgabe endet. Vor allem da Macher zusammentreffen, die auch schon früher an Wonder Woman gearbeitet haben oder aktuell für ihre Reihe verantwortlich sind.

So gibt es ein besonderes Schmankerl, wenn es zu dem Part von Greg Rucka kommt. Er hat eine Art Zeitungsartikel bzw. genauer gesagt Interview verfasst. Dabei treffen sich Lois Lane und Diana zum Kaffee und die Reporterin hat sich dazu entschlossen, ihr Gespräch in einen Artikel für den Daily Planet zu verfassen. Das Gespräch ist allerdings, wie man vielleicht erwarten könnte, kein Smalltalk der beiden Frauen, welches sich um ihrer beiden Leben dreht, vielmehr ist es ein äußerst philosophisch angehauchtes Gespräch, welches einen tiefen Einblick in die Charaktere bietet. Den Text sollte man durchaus öfter lesen, da er sehr vollgepackt ist mit Ansichten, Einblicken und Haltungen, dass man es nicht schafft alles beim ersten Mal lesen aufzusaugen. Der Artikel beweist mal wieder, dass Greg Rucka einer der besten Autoren für Wonder Woman ist.

Zum Bonusmaterial gehören diverse Cover, die sich immer wieder zwischen den Geschichten befinden. Besonders hervorheben sollte man die Cover von Brian Bolland, der in den frühen Jahren von Wonder Woman sehr viele Cover kreiert hat und die besten wurden von einem Team ausgewählt und hier präsentiert. Besonders die Pencil-Versionen wissen zu begeistern.

Schließlich wird Wonder Woman noch ihr eigenes Lied spendiert, welches von niemand geringerem als Marguerite Bennett verfasst wurde. Ein besonderes Highlight der Ausgabe.

Wonder Woman mag zwar bereits 75 Jahre lang existieren und hat in ihrem Dasein schon so einiges mitgemacht, doch sie hat nichts an ihrem Zauber verloren. Vielleicht trifft es das folgende Zitat am besten. Es fängt perfekt die Essenz ein, welche auch auf Wonder Woman zutrifft. In diesem Sinne wünsche ich noch einen schönen Sonntag und lest mehr Wonder Woman - sie hat es verdient beachtet zu werden.

“Here’s to the crazy ones — the misfits, the rebels, the troublemakers, the round pegs in the square holes. The ones who see things differently — they’re not fond of rules. You can quote them, disagree with them, glorify or vilify them, but the only thing you can’t do is ignore them because they change things…” - Auszug aus der Think Different Kampagne von Apple

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